
Kunstmuseum Bonn restituiert Gouache von Paul Adolf Seehaus
Blick in Ebene von Paul Adolf Seehaus wird am 31. Januar 2025 an die Erbengemeinschaft übergeben
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass das Kunstmuseum Bonn das Werk Blick in Ebene von Paul Adolf Seehaus an unsere Mandanten, die Erbengemeinschaft nach Marie Louise Stadler restituieren wird. Die damit erzielte faire und gerechte Lösung resultiert aus einem 2021 abgeschlossenen Provenienzforschungsprojekt des Kunstmuseums Bonn. Die Übergabe findet am 31. Januar 2025 statt.
Das Kunstmuseum Bonn restituiert die Gouache Blick in Ebene (1918) von Paul Adolf Seehaus an die Erbengemeinschaft der ursprünglichen Eigentümerin. Das Werk wurde der jüdischen Sammlerin Louise Koppel-Stadler mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig entzogen und gelangte 1951 über den Kunsthandel in die Sammlung des Kunstmuseums Bonn. Im Rahmen eines umfassenden Provenienzforschungsprojekts am Kunstmuseum wurde 2021 eine problematische Provenienz festgestellt und das Werk in die Lost Art-Datenbank eingetragen. Dort identifizierten es 2023 die Erben und wandten sich an das Kunstmuseum Bonn. Nun erfolgt am 31. Januar 2025 die Übergabe des Kunstwerks an die Nachkommen der rechtmäßigen Eigentümerin.
Das Werk und seine Besitzverhältnisse
Marie Louise Stadler, geb. Lehmann, verw. Koppel (1887 – 1973), war eine jüdische Sammlerin. Nach Erkenntnissen der Provenienzforschung befand sich die Gouache Blick in Ebene (1918) von Paul Adolf Seehaus seit mindestens 1919 in ihrer Sammlung in Köln, von wo sie es unter anderem 1926 zu Ausstellungszwecken an die Berliner Nationalgalerie verlieh.
1929 zog Marie Louise Koppel von Köln nach Berlin, musste allerdings bereits im Oktober 1933 von dort über die Schweiz nach Paris zu einer Verwandten fliehen. Ihre teils bei der Mutter in Köln, teils in ihrer Berliner Wohnung verbliebene Wohnungseinrichtung samt nicht näher bezeichneten Kunstgegenständen wurde konfisziert, verkauft und galt seither als verschollen. Nur wenige Kunstwerke konnte Louise Koppel mit nach Paris nehmen. 1942 wurden auch diese Werke von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und verkauft. Das Blatt Blick in Ebene von Paul Adolf Seehaus gelangte auf ungeklärtem Weg in die Düsseldorfer Galerie Alex Vömel, die es 1951 an die Städtischen Kunstsammlungen Bonn verkaufte.
Der Künstler
Paul Adolf Seehaus (1891–1919) war der einzige Schüler von August Macke und zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Rheinischen Expressionisten. Das Aquarell Blick in Ebene gehört zu den eindrucksvollen Landschaftsdarstellungen des Künstlers, die seine stilistische Nähe zu Macke, zugleich aber auch seine eigene künstlerische Handschrift erkennen lassen.
Hintergründe der Restitution
Im Verlauf eines umfassenden, 2021 abgeschlossenen Provenienzforschungsprojekts des Kunstmuseums Bonn wurde das Aquarell gemeinsam mit zwei weiteren Werken aus der Sammlung in die Lost Art-Datenbank eingetragen. Die Forschung hatte eine deutliche Provenienzlücke aufgezeigt, die in Verbindung mit weiteren Hinweisen auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug des Werks zwischen 1933 und 1945 hindeutete. Die Erbengemeinschaft trat an das Kunstmuseum heran, nachdem sie das Werk in der Datenbank identifiziert hatte.
Die Restitution wird in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Washingtoner Konferenz von 1998 sowie der gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände aus dem Jahr 1999 durchgeführt. Beim Washingtoner Abkommen von 1998, offiziell als „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“, bekannt, einigten sich Vertreter:innen aus 44 Ländern auf eine gemeinsame Vorgehensweise im Umgang mit NS-Raubkunst. Das Abkommen fordert die Identifizierung von Kunstwerken, die zwischen 1933 und 1945 NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden, und die Bemühung um eine „faire und gerechte Lösung“ für deren Rückgabe oder Entschädigung. Eine „faire und gerechte Lösung“ bedeutet, dass die individuellen Umstände jedes Falls berücksichtigt werden. Ziel ist es, den Ansprüchen der Erben gerecht zu werden, ohne die Interessen öffentlicher Institutionen, die oft unverschuldet in den Besitz solcher Werke gelangt sind, völlig außer Acht zu lassen. Der Fokus liegt auf moralischer Verantwortung, über rein rechtliche Verpflichtungen hinaus, um historische Ungerechtigkeiten aufzuarbeiten und das Vertrauen zwischen Institutionen und betroffenen Familien wiederherzustellen.
Mit der nun erfolgenden Restitution des Werkes leistet das Kunstmuseum Bonn einen weiteren Beitrag zur Aufarbeitung historischen Unrechts und betont seine Verantwortung gegenüber den ehemaligen Besitzern und deren Nachkommen.
Dr. Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn: „Die Rückgabe von Kunstwerken, die NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden, ist ein Beitrag zur historischen Gerechtigkeit. Provenienzforschung ist für uns eine zentrale Aufgabe, die wir mit Sorgfalt und Transparenz verfolgen. Es erfüllt uns mit Genugtuung, dass durch die Zusammenarbeit mit der Erbengemeinschaft eine faire und gerechte Lösung erzielt werden konnte.“
Dr. Hannes Hartung, Rechtsanwalt der gesetzlichen Erben von Marie Louise Stadler: „Meine Mandanten bedanken sich sehr herzlich für die gerechte und faire Lösung beim Kunstmuseum Bonn und allen ihren damit betrauten Mitarbeitern. Sie wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Mit der Restitution halten sie das Andenken an Marie Louise Stadler in Ehren.“
Die feierliche Übergabe findet am 31. Januar 2025 im Kunstmuseum Bonn statt. Bei der Übergabe werden Erben von Marie Louise Stadler und ihr Rechtsanwalt Dr. Hannes Hartung anwesend sein.